Spiegelfragmente und unlesbare Schriften
Auf der Einladungskarte haben beide Künstler ihre Kunst miteinander verschmolzen: ein Bild von Mela Sfregola wird in einem Spiegelobjekt von Daniel Menck zu etwas ganz anderem, wechselt seine Identität.
Daniel Mencks Kunst gilt dem Phänomen menschlicher Wahrnehmung. Seine 21 Spiegel-Objekte dieser Ausstellung schaffen dort, wo sie sich gegenüber hängen, den bekannten Effekt eines unendlich erscheinenden Raumes. Durch die Kleinteiligkeit der mosaikartig zusammengesetzten Spiegelobjekte wird die optische Wiedergabe des dazwischen stehenden Betrachters und dessen Umfeld in die Raumtiefe hinein in immer kleinere Parzellen zerstückelt. Seine Möglichkeiten, mit den Augen Ordnung in dieses Chaos zu bringen, sind gering, aber sie gibt es, wenn auch nur so, dass man sie nicht festhalten kann, sie schnell wieder aufzugeben gezwungen ist. Denn jede eigene Bewegung ändert das Raumgeflirre, und jeder hinzutretende weitere Betrachter bringt Veränderung in den illusionären Raum: durch dessen Bewegung, durch die Farben seiner Kleidung.
Sfregola vertraut – jedenfalls in dem hier gezeigten Werkabschnitt – noch ganz der Aussagekraft von Malerei. Es gibt keine Farbe, auf die sie verzichten würde. Und sie hat sich auch nicht losgesagt von den guten alten Proportions-Prinzipien, die auf einem Bild „stimmen“ müssen, die der „inneren“ Harmonie des Künstler-Naturells entsprechen.
Wenn man noch nicht nah genug an ein solches Bild herangetreten ist, vermutet man, auf diesen Leinwänden gäbe es etwas zu lesen. Es macht den Eindruck, als sei das Schrift, was Teile der Komposition oder die gesamte Komposition waagerecht oder/und senkrecht durchzieht. Sieht man das Bild aus der Nähe, entpuppt sich die Schrift als Krakel, als eine von der Künstlerin erfundene Krakel-Schreibschrift, die gleichwohl Zeile für Zeile schön geordnet im Bild steht und nichts anderes ist als Form und Farbe, also abstrakter Teil einer ohnehin abstrakten Komposition.
Wer lange genug vor einem solchen Bild verharrt, kann ihm viele Antworten geben. Und wer „Bedeutungsvolles“ oder „Inhaltsschweres“ auch im abstrakten Bild finden möchte, mag diese Bilder als eine, wenn auch rätselhafte Metapher für menschliches Kommunizieren verstehen.
Auszug aus dem Katalogvorwort von Walter Vitt